Aller Anfang ist schwer…
„Ich bin dominant und suche eine Sklavin.“ So oder so ähnlich dürfte der Gedankengang wohl jedem Neuling schon einmal durch den Kopf gegangen sein. Vielleicht ist bereits die Unterscheidung zwischen Sklavin und Sub bekannt, der Grundgedanke bleibt aber bestehen.
Wem nun nicht durch einen glücklichen Zufall bereits jemand in seinem Leben begegnet ist der die passenden Neigungen teilt bzw. mit dem diese sogar zusammen entdeckt werden, steht jetzt eventuell vor einem Problem. Mit diesem Problem meine ich nicht ein williges Wesen zum ausleben dieses Wunsches zu finden (dazu später mehr). Es ist ein Problem, mit dem sich selbst erfahrene Tops auseinandersetzen müssen (oder zumindest nach meiner Meinung sollten!).
Der Name dieses Problems ist Selbsterkenntnis
Entsprechende Attraktivität macht das finden eines potenziellen Partners einfacher, zumindest erhöht es die Bereitschaft überhaupt aufeinander zu zugehen, bevor man sich dann den wirklich wichtigen Informationen über den anderen widmet. Jetzt sind wir aber nunmal wer wir sind und können höchstens oberflächlich an uns herum optimieren. Jetzt haben wir vielleicht die Aufmerksamkeit von jemandem geweckt, vielleicht findet man sich auch interessant und es wird mehr daraus. Irgendwann merkt man dann aber, dass die Vorstellung beider irgendwie gegensätzlich verläuft, alles nicht mehr ganz so toll ist und sich dann irgendwann mit dem „warum“ befassen muss.
Zumindest geht es mir an diesem Punkt so, da ich BDSM nicht nur oberflächlich als Spiel für zwischendurch lebe und dann einfach mal eben weiterziehe. Die Einstellung den Partner bei nicht gefallen einfach auszutauschen, scheint sich in den letzten Jahren immer mehr zum Standard entwickelt zu haben. Dabei schaue ich hier besonders die werten Damen an, fairerweise aber nicht nur die!
Auf die Oberflächlichkeit anderer können wir recht wenig einwirken, viel zu tief ist der „erst ich, dann die Anderen“ Gedanke hier verwurzelt, oft begleitet von hohen bis sogar unrealistischen Anforderungen, vielleicht sogar noch durch entsprechende Literatur oder Medien zusätzlich geprägt. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele gar nicht so recht wissen, WAS sie möchten. Es wir lediglich nach MEHR geschrien, bis wieder irgendwer daher kommt, der die aktuelle Wunschliste mal wieder möglichst breit gefächert abdeckt. Jetzt möchte ich hier aber nicht nur meckern, sondern dem Ganzen lieber konstruktiv begegnen!
Braucht der Top einen Wunschzettel?
Natürlich arbeitet nicht nur der passive Part gedanklich seine Liste ab, auch Top hat natürlich seine „gefällt mir“ oder „darauf will ich nicht verzichten“ Liste im Kopf. Das ist prinzipiell auch in Ordnung, solange wir uns denn auch mit uns selbst im Klaren sind, was wir eigentlich wollen und wohin der Weg gehen soll. Das hier ist keine Kritik an unerfahrenen Tops, die noch lernen und dabei sind ihren Platz und ihr BDSM zu entdecken!
Kommen wir zurück zum Anfang und zu unserem Gedanken „Ich bin dominant und suche eine Sklavin„. Diese Aussage hilft so weder dem Bottom, noch hilft sie dem Top irgendwelche Neigungen zu erkennen oder zu definieren, allenfalls sich durch diese unbedachte Aussage unbeliebt zu machen bei denen, die bereits mehr Erfahrung besitzen.
Sollte Top also nun einen detaillierten Wunschzettel gestalten nach was er sucht? Ja und nein.
Mir hilft es, mich nach einem Rückschlag ehrlich damit auseinanderzusetzen und mir zu überlegen was ICH beim nächsten mal anders machen kann. Das Gleiche kann man auch als Neuling anwenden. Nicht selten werde ich mir dabei meiner Neigungen und Wünsche bewusster, selbst wenn dies in der beendeten Partnerschaft vielleicht gar kein Problem dargestellt hat. Vielleicht handelt es sich dabei lediglich um einen Gedanken oder eine Idee die mal angesprochen wurde, zu deren Umsetzung es aber dann zeitlich nicht gekommen ist. Ich führe in diesem Sinne keinen Wunschzettel was meine Neigungen angeht, jedoch einen Wunschzettel mit Zielen die ich erreichen möchte.
Wir sind unser größter Feind
Mit etwas zufrieden zu sein liegt nicht in unserer Natur, größer, besser, weiter. Ich selbst bin da keine Ausnahme. Das muss auch nicht zwingend negativ sein, denn schließlich ist es unsere Neugierde die uns antreibt weitere Erfahrungen zu machen. Schwierig wird es dann, wenn dieser Fortschritt sich nicht mit dem deckt was wir bisher erreichen wollten.
Ich würde von mir behaupten, dass ich doch recht genau weiß was mir gefällt, was ich erreichen möchte und wer zu mir passt. Trotzdem verändern sich auch meine Ansichten und Wünsche, Neigungen werden konkreter und beeinflussen dadurch meine Meinung und Gewichtung. Das hat weder etwas mit Sprunghaftigkeit, noch mit Unentschlossenheit zu tun, kann aber sogar zu Widersprüchen führen.
Zu beschreiben, wie ich in einer Beziehung zu meinem Gegenpart stehe, stellt ein Problem dar. Einerseits mag ich eine starke Frau an meiner Seite, die mich in allen Lebenslagen unterstützt, mir aber die Entscheidung in jeglichen Beziehungsfragen zuspricht. Gleichzeitig ist eine richtige TPE Beziehung, in der ich wirklich alle Entscheidungen treffe und ich komplett über meine Partnerin bestimme, für mich eine ebenso erfüllende Beziehungsform. Es sind verschiedene Ziele die sich in einigen Punkten ähneln, allerdings in anderen Punkten geradezu gegensätzlich verhalten.
Nennen wir das einfach, das „Erdbeer-Zitrone Dilemma„. Zwei Geschmäcker, der eine lieblich süß, der andere erfrischend sauer, beide ein Gegensatz zueinander und dabei so einzigartig, vielleicht auch in Kombination mit anderen Speisen, dass wir beide nicht missen möchten. Müssten wir uns für den Rest unseres Lebens oder zumindest für eine sehr lange Zeit von einem von beiden entscheiden, würden wir unsere Entscheidung bereuen? Wären wir mit UNSERER EIGENEN Entscheidung zufrieden? Könnten wir mit UNSERER WAHL lernen zu leben und uns damit arrangieren? Würden wir versuchen das beste daraus zu machen und sogar neue Kompositionen auf Basis dieser Entscheidung zu kreieren?
Die Kunst sich selbst zu erkennen
Während es uns recht einfach fällt Wünsche zu äußern, haben wir oft ein Problem damit zu erkennen was wir wirklich brauchen um langfristig Glücklich zu sein. Von daher würde manchem da draußen (und da dürfen sich die Damen wie auch Bottoms gerne anschließen) gut tun, wenn wir statt in die nächste Beziehung, erst einmal in uns gehen würden um mehr über uns selbst zu erfahren.